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Islandpferdetraining - Eine Beobachtung von Peter de Cosemo

09.01.17
von Swantje Renken

Der britische Ausbilder Peter de Cosemo arbeitet seit etwa fünf Jahren mit einer Gruppe von isländischen Reitern zusammen, zwei bis dreimal im Jahr kommt er zu intensiven Reitkursen auf die Insel. Im vergangenen Herbst referierte er in einem Seminar vor FEIF-Richtern und löste eine Kontroverse über Begriffe wie "Energie" oder "Vorwärts" aus.

Im folgenden Artikel beschreibt er eine Beobachtung:

"Für mich sind die Islandpferde eine der einfachsten Rassen, mit denen man arbeiten kann. Seit etwa fünf Jahren reise ich regelmässig nach Island und habe in dem Zeitraum mit Dutzenden von isländischen Pferden gearbeitet.

Als ich kam, fanden es einige isländische Reiter und Trainer witzigerweise zu Anfang und teilweise auch immer noch notwendig, mir zu sagen, dass das Islandpferd “anders” ist als andere Rassen, und dass viele Techniken, die man bei anderen Rassen anwendet, beim Islandpferd nicht funktionieren.

Zunächst wartete ich einfach mal ab und schaute mir das an, um zu erkennen, wie “anders” diese Rasse war. Wie manche Trainingsmethoden nicht funktionieren, weil sie “anders” waren. Ich freue mich sagen zu können, dass ich das Islandpferd nach 45 Jahren Pferdetraining auf der ganzen Welt, von Europa nach Australien, von den USA bis auf die Griechischen Inseln, vollkommen normal finde, und dass es keine wirklichen Unterschiede zu seinen equinen Brüdern und Schwestern auf diesem Planeten gibt.

Verständlicherweise haben sie eine DNA, die ihnen zusätzliche Gänge verleiht, aber ich finde, sie sind trotzdem ziemlich normale Pferde.

Diese Pferde haben einen scharfen Geist, einen grossartigen Gehwillen und eine hohe Sensibilität, allesamt grossartige Attribute, wenn man vorsichtig damit umgeht. Wenn man im Training achtlos ist, werden diese Eigenschaften gegen einen arbeiten. Das manifestiert sich in verspannten, ängstlichen Pferden, die viel körperliche Steifigkeit und Stress mitbringen. Ich habe herausgefunden, dass man sich von Anfang an die Zeit nehmen muss, diese Pferde selbstsicher zu machen und ihnen beizubringen, ihren eigenen Fluchtreflex zu beherrschen, wenn etwas Neues auftaucht oder sie sich unter Druck gesetzt fühlen.

Island hat eine grosse Geschichte von Reiten in Gemeinschaft und heutzutage Wettbewerbsreiten, und ich werde oft gefragt, wie man die Noten im Turniersport erhöhen könnte. Um diese Frage beantworten zu können musste ich herausfinden, was eigentlich die Grundanforderungen im Turniersport sind und wonach die Richter schauen, wenn sie Ausdruck oder Brillianz sehen wollen. Eine Phrase, die da immer wieder auftauchte, war die der “Vorhandaktion”.

Dies ist ein Ausdruck, den ich aus keiner anderen Disziplin kenne, daher musste ich herausfinden, was genau das ist. Offenbar geht es darum, wie hoch das Pferd seine Vorderbeine in den Gängen heben kann. Eine weitere Phrase, die ich hörte war, dass sie “rund” sein sollten und “über den Rücken gehen” sollen.

Das ist nun natürlich vertrautes Gelände, denn während des gesamten Trainings- und Entwicklungsprozesses für Dressurpferde wollen wir sie immer mit Vorhandaktion und einem aktiven Rücken haben.

Genau hier sehe ich aber einen Anforderungskonflikt für den Turniersport.

Dressur ist im Grunde genommen Pferdegymnastik. Wie bei der Menschengymnastik dauert es Jahre, um sukkzessive Geist und Körper zu einem hohen Grad von Können hinzutrainieren. Daher ist viel auf dem Gebiet geforscht worden, wie das Pferd seinen Körper von Natur aus benutzt. In der Dressur suchen wir unter anderem nach dem “Ausgreifen des Beines” oder der Schrittlänge. Das passiert weitaus effizienter, wenn man dem Pferd beibringt, wie es seinen Rücken aufwölbt und durch sich das Genick nach vorne schiebt. Diese Bewegung verbindet seine Oberlinie, hebt den Rumpf an und erlaubt den Hinterbeinen, sich leichter vorwärts und unter den Körper zu bewegen, zunächst für den Schub, aus dem später Schwung wird.

Auf der anderen Seite muss das Pferd für die “Vorhandaktion” seine Schultern und Vorderbeine benutzen, und das Ganze in einer hochziehenden Rückwärtsbewegung. Für eine hochbenotete Vorhandaktion muss das Pferd auch Kopf und Genick erst hoch und dann nach hinten drücken. Wenn jedoch Kopf und Genick hoch und nach hinten gezogen werden, resultiert dies darin, dass der Rücken nach unten sackt und hohl wird und der Rumpf sich senkt. Nun können die Hinterbeine nicht mehr in Leichtigkeit unter den Körper schwingen und enden darin, dass sie hinterher gezogen werden.

Was ist da zu tun?

Die Richter wollen Pferde sehen, die über den Rücken und mit einer runden Oberlinie gearbeitet werden, aber sie belohnen auch Pferde mit der höheren Vorhandaktion. Mir scheint, Reiter in dieser Situation sind in jedem Fall verdammt, ganz gleich was sie tun! Ich persönlich finde es sehr schwierig, diese beiden Bedingungen zur selben Zeit zu erfüllen. Man kann das eine haben, oder das andere, aber nicht beides.

Trainer und Reiter in allen Disziplinen werden von den Richtern geleitet. Sie sehen, welche Arbeitsweise beim Turnier gewinnt und versuchen, diese zu reproduzieren, weil sie auch gewinnen wollen. Natürlich kommt auch in grossem Masse das Geld hinzu. Siegerhengste und Stuten diktieren die Preise für Verkäufe und Zucht. Besitzer, die gewinnen wollen, werden höhere Preise zahlen, um die Trophäe zu ergattern.

Derzeit sehe ich, dass das hohle Pferd mit der Vorhandaktion gewinnt. Pferde mit schnellen Bewegungen stehen auch hoch im Kurs, weil das Tempo gerne mit Energie und Schwung verwechselt wird. Ich glaube nicht, dass sich da etwas ändern wird, wenn nicht die “Anforderungen” verändert werden.

Ich wollte mit diesem Artikel keine Negativität verbreiten. Er ist eine reine Beobachtung. Ich hatte bereits darauf hingewiesen, dass es da möglicherweise einen Fehler im System gibt, daher fühle ich mich verpflichtet, zumindest auch eine Lösung vorzuschlagen. Ein grosser Schritt wäre bereits getan, wenn man nur ein einziges kleines Wort austauschen würde. Rein praktisch gesehen würde dies das Training und die Körperhaltung vieler Pferde verändern.

Mein Vorschlag ist dieser: Statt “Vorhandaktion” sollte es “Ausgreifen” heissen.

Statt danach zu suchen, wie hoch ein Pferd seine Vorderbeine ziehen kann, warum nicht ein Programm entwickeln, welches das Pferd motiviert, sich mit seiner Energie vorwärts zu drücken? Natürlich erhält man, wie schon zuvor bemerkt, eher ein weiteres Ausgreifen und längere Schritte, wenn die Oberlinie angehoben und “rund” ist. Während ein Pferd sich ausbalanciert und lernt, sich mit der Hinterhand abzudrücken, entwickelt es mehr Kraft, Balance und Selbstsicherheit.

Eine solche Veränderung der “Anforderungen” würde den Konflikt beseitigen, dem Reiter, Trainer und Richter sich derzeit stellen müssen, wenn sie zwei Dinge gleichzeitig tun sollen, die das komplette Gegenteil voneinander sind.

Ich habe eine Menge kluger und intelligenter Menschen getroffen, die das Islandpferd lieben. Mein Eindruck ist, dass es von den Hütern der Richtlinien Klarheit geben darüber muss, wie Training in Zukunft aussehen sollte. Elemente, die sich gegenseitig ausschliessen, müssen beseitigt werden. Ich glaube, das Leben für Reiter und Pferde könnte weitaus leichter werden, wenn man nur einige kleine Veränderungen vornehmen würde.

Nur eine kleine Beobachtung am Rande ...

Bericht & Foto: Dagmar Trodler

Quelle: IcelandReview Online

 

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