Interview zum Jakobskreuzkraut
Vom Jakobskreuzkraut geht seit einigen Jahren eine wachsende Gesundheitsgefahr für Pferde aus. Im Oktober reichte Reinhard Seehuber eine Petition beim Deutschen Bundestag ein. Das Ziel: Eine gesetzliche Melde- und Bekämpfungspflicht für die Giftpflanze.
Nachdem die Zeichnungsfrist für die Petition im November zu Ende gegangen ist, haben wir den Agraringenieur aus Bonn zum Verlauf der Aktion und seinen weiteren Plänen in Sachen "JKK" befragt:
Wie konnte das schon immer in Deutschland heimische Jakobskreuzkraut in den letzten Jahren zu einem so großen Problem für Pferdehalter werden?
Seehuber: Vor etwa fünf Jahren waren in unserer Gegend, Bonn und Rhein-Sieg-Kreis, nur vereinzelt Jakobskreuzkrautpflanzen zu sehen. Nun wächst es hier überall. Zuerst an Straßenrändern und mittlerweile auch auf allen Wiesen und Weiden, auch auf gut gepflegten und häufig gemähten Flächen.
Das große Vermehrungspotential der Pflanze wurde begünstigt dadurch, dass die letzten beiden Sommer gebietsweise ziemlich trocken waren, so dass das Gras weniger Konkurrenzkraft besaß, auf Brachflächen keine Unkrautbekämpfung stattfindet, auch auf Grünlandflächen nur selten eine Unkrautbekämpfung vorgenommen wird, der Trend zu extensiven Wiesen und Weiden mit einem einschürigen späten Schnitt das Jakobskreuzkraut immer zur Blüte und somit zur Vermehrung kommen lässt. Die spät gemulchten Straßenränder bieten der Pflanze ein optimale Ausbreitungsmöglichkeit.
Die FN beziffert die Zahl der aktiven Pferdesportler in Deutschland auf ca. 1,7 Millionen. Trotz verschiedener Veröffentlichungen haben nur rund 4.000 Menschen Ihre Petition online unterzeichnet. Wo liegt die Ursache dafür?
Seehuber: Ein nicht akutes Problem wird von den Menschen gerne aufgeschoben. Ein unmittelbarer Handlungsbedarf wird von vielen nicht gesehen; das Gefährdungsbewusstsein ist noch nicht ausreichend verbreitet. Es gibt viele Leute, die das Jakobskreuzkraut nicht erkennen, gleich ob es auf der Weide wächst oder sich im Heu befindet.
Die meisten Pferdebesitzer kümmern sich nicht selbst um das Heu und füttern es nicht selbst – das Problem wird nicht erkannt, genauso wie das schimmelige Heu in vielen Ställen, wovon die Pferde Husten/Bronchitis bekommen. Hier reden die Leute von Heustauballergie, obwohl es eine Schimmelsporen“allergie“ ist. Die Pferdeleute sind offensichtlich nicht so aktiv im Internet unterwegs, so dass sehr viele von der Petition nichts mitbekommen haben.
Eine Unterschriftenliste für die Petition, die bei unserem Futtermittelhändler auslag, bekam in wenigen Tagen mehr als 50 Unterschriften. Leider hat kein großes Printmedium rechtzeitig und ausführlich über die Online-Petition berichtet.
Auf der Petitions-Website des Deutschen Bundestages wird jede eingereichte Petition diskutiert. Wie würden Sie die Diskussion zur JKK-Petition charakterisieren?
Seehuber: Gegenmeinungen führten meist an, dass eine heimische Pflanze nicht ausgerottet werden dürfe, eine weitere gesetzliche Regelung abgelehnt wird oder die Pferdehalter das Problem individuell lösen sollten. Das zeigt, dass der Sinn der Petition nicht immer richtig verstanden wurde. Denn es wird weder eine Ausrottung gefordert, noch ist das allein ein Problem für Pferdehalter. Auch alle anderen Gras fressenden Tiere, vom Meerschweinchen bis zum Elefanten, sind wie die Konsumenten von Honig davon betroffen. In der Mehrheit der Beiträge wurde die Petition nachdrücklich unterstützt; es meldeten sich auch mehrere direkt Betroffene zu Wort.
Wie geht es jetzt mit Ihrer Petition weiter, nachdem die erforderliche Stimmenzahl nicht erreicht worden ist, um eine öffentliche Beratung im Petitionsausschuss zu erzwingen?
Seehuber: Der Petitionsausschuss hat Ende November die Petition an das zuständige Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz mit der Bitte um eine Stellungnahme innerhalb von sechs Wochen geschickt. Wann der Petitionsausschuss sich mit der Petition abschließend und wie intensiv er sich befassen wird, ist nicht vorhersehbar. Es kann einige Wochen oder auch viele Monate dauern.
Als Diplom-Agraringenieur sind sie vom Fach: Wie stark wird die Verbreitung von Jakobskreuzkraut Ihrer Meinung nach in Deutschland zunehmen, wenn keine koordinierten Maßnahmen dagegen ergriffen werden?
Seehuber: Bis auf ein paar abgegrenzte, windgeschützte Flächen oder auch sehr nasse Weiden, wird sich das Jakobskreuzkraut weiterhin vermehren. In Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Brandenburg ist die große Verbreitung unübersehbar. Sind erstmal einige wenige Pflanzen da, die nicht vor der Blüte vernichtet werden, steigt die Vermehrung explosionsartig an.
Wir hatten vor drei Jahren keine Kreuzkrautpflanze auf unserer Weide. Letztes Jahr waren es ein paar Pflanzen, die wir entfernt haben. Dieses Jahr haben wir über 200 Pflanzen ausgestochen. Auch durch die Stadt arbeitet sich das Jakobskreuzkraut durch. Im Botanischen Garten in Bonn auf den kurz gehaltenen Grasflächen blüht jetzt im Dezember noch das Jakobskreuzkraut im Bonsai-Format (3 cm hoch) – wo es gar nicht hingehört!
Welche Schritte würden Sie sich von den Reitsport- und Pferdezuchtverbänden wünschen?
Seehuber: The British Horse Society sehe ich hier als Vorbild. Aufgrund deren Lobbyarbeit wurde 2003 ein Leitfaden, wie die Ausbreitung von Jakobskreuzkraut zu verhindern ist, von der britischen Regierung mit allen Interessensgruppen - Umweltverbänden, Imkern und Landwirten - geschaffen, der verbindliche Regelungen vorgibt.
Auch die deutschen Verbände müssten ihre politischen Kontakte nutzen, um entsprechende Maßnahmen auf den Weg zu bringen. Leider gab es bislang nur eine Initiative: Der Präsident der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz hatte sich 2008 mit wenig Erfolg an die Landesregierung gewandt. Es muss der Öffentlichkeit bewusst gemacht werden, dass erfolgreiche Pferdehaltung, -zucht und –sport nur mit giftfreiem Futter möglich sind, und Jakobskreuzkraut auch eine gesunde Ernährung des Menschen gefährden kann.
Vielen Dank für das Gespräch.