Gebührenfreie Infoveranstaltung für Zuschauer - Pilotprojekt Leichte Prüfungen
Die Gangprüfungen, ihre Anforderungen und die Richtkriterien sind seit Beginn des Turnierreitens mit Islandpferden ein Prozeß, der sich mal schneller, mal langsamer entwickelt. Alles begann mit dem berühmten Asphalttölt, einer Töltprüfung geritten auf der Asphaltstraße, damit die Richter den Takt besser hören konnten. Denn zunächst war der Takt allein das wertbestimmende Merkmal. Man forschte, ob es besser sei, als Reiter die Beine weit nach vorn gestreckt zu haben oder ob es doch mit klassischem Reitersitz gelänge. Schon früh folgte mit Verbesserung der Pferdequalität Tempo und Brisanz.
Wer glaubt, 1970 mit Einführung der 200 m Ovalbahn wäre die Entwicklung vom Asphalttölt zum Töltpreis abgeschlosssen, der irrt. In der Anfangszeit wurden wahre Ausdauerschlachten geschlagen und in der ersten Zeit wurde die Tempomöglichkeit des Pferdes siegentscheidend. Auch Töltrennen über mehrere Runden wurden ausgetragen.
Aber schon 1973 konnte man in der Verbandszeitschrift „Das Islandpferd“ in einem Artikel des damaligen IPZV Sportleiters Walter Feldmann jun. lesen, dass es doch nicht anginge, wenn die Platzierung ausschließlich über das Material des Pferdes und nicht auch über dessen Rittigkeit entschieden wird. 1973 kam so die erste Wende vom Temposieger Super-Stjarni zum ordentlichen Grákollur.
Und die Entwicklung setzte sich fort. Aus anfangs nur einer Töltprüfung entwickelten sich die heutigen Töltprüfungen T1 bis T8. Neben dem Töltpreis entstand der zunächst belächelte Hausfrauentölt, heute als T2 hoch angesehene WM-Prüfung. Für Einsteiger und Freizeitreiter wurden leichtere Prüfungen und Einstiegsprüfungen entwickelt. Es gab Zeiten, da starteten 15 Reiter in einer Art KO-Tölt. Immer wieder gab es neue Ideen und Erprobungen. Die einen Neuerungen wurden zum Erfolg, andere verschwanden wieder in der Versenkung.
So ist es ganz natürlich, sich auch in der heutigen Zeit Gedanken über die Weiterentwicklung nicht nur der Töltprüfungen sondern auch der Gangprüfungen zu machen. Im Jahr 2015 wurden die neuen Leitgedanken für die Gangbeurteilung, entwickelt vom FEIF Richtausschuss, zur Anwendung gebracht. Sie enthalten die sogenannten Firewalls, die sicherstellen sollen, dass alle Aspekte der Gangbeurteilung Berücksichtigung finden und bei Mängeln in einem Merkmal, diese nicht durch andere gute Points kompensiert werden können.
Diese Leitgedanken wurden insbesondere für die schweren Prüfungen entwickelt, werden aber auch in den leichten Prüfungen angewandt. Hier sind sie bedingt einsetzbar und es wurde ressortübergreifend darüber nachgedacht, für die leichten Prüfungen angepasste Leitgedanken zu entwickeln. In dieser Diskussion, die schon 2016 begann, wurde schnell klar, dass allein eine Änderung der Leitgedanken für die leichten Prüfungen nicht ausreichend wäre, sondern auch die Prüfungen selbst auf den Prüfstein müssten. Eine kleine Arbeitsgruppe (Marlise Grimm, Lutz Lesener, Andrea-Katharina Rostock) nahmen die Überarbeitung in Angriff.
Mehrere Aspekte mussten berücksichtigt werden:
Ausbildung und Sport
Im Bereich der schweren Prüfungen, am Beispiel Tölt sind dies T1 - T4, stehen Ausbildungsinhalte und sportliche Herausforderung zumeist im Einklang. Neuerungen in diesem Bereich waren von Anfang an nicht vorgesehen.
Anders sieht es bei den leichten und den Einstiegsprüfungen aus. Diese Prüfungen werden in Gruppen geritten und die Anforderungen an die reiterlichen Fähigkeiten sind eher gering. Es geht zu sehr in Richtung Materialbeurteilung des Pferdes vor allem auch, weil die Richter über die Aufgabenstellung zu geringe Möglichkeiten haben, die reiterliche Leistung in Anrechnung zu bringen.
Takt, Rittigkeit, Mitarbeit
Die Ziele und Ideen von Ausbildung und Sport sind in diesem Zusammenhang nicht deckungsgleich und das kann für die reiterliche Entwicklung im Islandpferdesport nicht zielführend sein. So entstand die Idee, neue bessere Prüfungen in Tölt und Gang zu entwickeln, in denen die Reiter zeigen müssen, wie gut sie ihre Pferde in der jeweiligen Gangart reiten und vorstellen können. Die Anforderung an die Pferde wurde dahingehend verändert, dass Bewegungshöhe und -weite nicht entscheidend sind, sondern der Schwerpunkt auf Takt, Grundrittigkeit, Gehorsam und Mitarbeit liegt.
Man kann es sich in der Gewichtung zwischen Reiter und Pferd auch so vorstellen, dass im Einstiegsbereich die reiterliche Leistung mit 70 % in die Bewertung eingeht, die des Pferdes mit 30 %. In einem Turniersystem, das systematisch aufgebaut ist, beginnt die Beurteilung schwerpunktmäßig beim Reiter. Dabei muss das Pferd selbstverständlich die Grundanforderungen der jeweiligen Prüfung erfüllen. Über ein Qualifizierungssystem gelangen die Reiter dann in höhere Klassen und am Ende geht der gut ausgebildete Reiter mit 30 % für seine reiterliche Leistung und das Können des Pferdes mit 70 % in die Bewertung ein.
Hinter diesem System steht die Idee, dass sich die Reiter in ihrer sportlichen Laufbahn entsprechend entwickeln und steigern können, Ausbildung und Sport wieder am selben Strang ziehen.
Breitensport und Turnier - Amateure und Profis
Dadurch, dass im Einsteiger- und Breitensport Prüfungsinhalte und Bewertungskriterien angepasst werden, sind alle die Reiter, die in den leichten Prüfungen starten, nicht länger diejenigen, die in kaum differenzierten Prüfungen und viel zu wenig differenzierten Bewertungen vor allem dafür sorgen, dass der wirtschaftliche Aspekt für die Veranstaltung nicht zu kurz kommt.
Die neuen Pilotprüfungen werden 2019 von zwei Richtern bewertet und kommentiert. Sowohl im Kommentar als auch über den Richtzettel erhalten die Reiter ein differenziertes Feedback zu ihrer Leistung und wissen dann auch, an welchen Punkten sie noch arbeiten müssen. Damit die Richter so individuell bewerten und die Reiter ihre reiterlichen Fähigkeiten auch zeigen können, sind alle Prüfungsanforderungen entsprechend verändert worden (s. Prüfungen)
IPZV und FEIF
Die Überarbeitung der Anforderungen und Richtleitgedanken betrifft wie gesagt nur die neuen Prüfungen. In den schweren Prüfungen besteht momentan kein Handlungsbedarf und über die Anerkennung der FIPO ist der IPZV außerdem an die FEIF gebunden.
Seitens der FEIF wurde aber bereits Interesse an der Neuentwicklung der leichten Prüfungen bekundet und man kann sich durchaus vorstellen, dass diese Ideen nach Abschluss der Erprobungsphase auch Eingang in das internationale Reglement finden.
Systematik des Turnierklassensystems
Bei der Beschäftigung mit den neuen leichten Prüfungen wurde auch das heutige Turnierklassensystem einbezogen. Auch das Turnierklassensystem ist im IPZV über die Jahrzehnte immer wieder Änderungen unterzogen worden. Gab es 1972 noch eine Anwärter- und Meisterschaftsklasse, wurde später in den 70er Jahren die Freizeitklasse erfunden, worauf Sportklasse A und B folgte, und die Einteilung der jungen Reiter differenzierter wurde. Das heutige Leistungsklassensystem gibt es seit 2009.
Es hat sicher Vorteile, ist aber insbesondere für den Laien und den Turniereinsteiger nur schwer zu verstehen. So entstand die Idee, das über Jahrzehnte bewährte Turnierklassensystem der FN (Deutsche Reiterliche Vereinigung) nach Buchstaben von E für Einsteiger, A für Anfangsbereich, L = leichter Leistungsbereich, M = mittlerer Leistungsbreich und S = schwerer Leistungsbereich, auszuprobieren. Mit dieser Aufgabe war die Arbeitsgruppe zwar nicht betraut worden, sie ergab sich aber von selbst im Bestreben nach mehr Transparenz in den Regeln für den Turniersport.
Die nachfolgende erste Übersicht zeigt die Anforderungen an Reiter und Pferde in den verschiedenen Klassen, die zweite Übersicht die Zuordnung von Prüfungen an die Klassen, die angewandte Notenskala, die Richtweise, die erlaubte Ausrüstung, in den Klassen A bis L/M nur Trense und erst ab dem mittleren Leistungsbereich der Einsatz von Hebelgebissen, zu einem Zeitpunkt also, an dem Reiter und Pferde einen Ausbildungsstand erlangt haben, bei dem man von Kandarenreife sprechen kann.
Auch die Vorschläge zur Zulassung der Reiter und Pferde sind enthalten: So verhindert ein Aussiegen von Reiter/Pferd Paaren in den Klassen E und A, dass dort auf ewig Plätze blockiert sind. Die Klassen L und L/M sind offen, dort kann jeder starten, auch ohne vorher in E oder A gestartet zu sein und dort können sich die Reiter für die Klassen M und S qualifizieren.
Dieses Turnierklassensystem ist ein Vorschlag, der sich logisch aus der Beschäftigung mit der Einteilung neuer Prüfungen entwickelt hat. Dies System wird aber in 2019 (noch) nicht zum Einsatz kommen. Hier geht es nur um die Erprobung und Evaluierung der neuen Prüfungen. Wir hoffen sehr, dass sich viele Veranstalter finden, die diese Prüfungen ausschreiben und viele Reiter, die Lust haben, diese Prüfungen auszuprobieren und zu reiten. Nur so können wir im nächsten Herbst / Winter die Ergebnisse bewerten und gut erprobte Vorschläge für 2020 erarbeiten.
Einführungsveranstaltungen
Damit Reiter, Richter, Veranstalter und Sprecher die neuen leichten Prüfungen kennenlernen können, gibt es im Februar einige Einführungsveranstaltungen: Workshops Leichte Prüfungen
Die Anmeldung ist für alle, die diese Veranstaltungen nicht als Trainerfortbildung nutzen, kostenlos. Eine Anmeldung ist in jedem Fall erforderlich.
Es gibt noch freie Plätze und wir freuen uns, wenn viele Interessierte dieses Angebot annehmen. Sollte Bedarf für weitere Veranstaltungen dieser Art bestehen, wenden Sie Sich für Ihren Ortsverein oder Landesverband an das Richtressort. (richten@ipzv.de)
Prüfungen
Im folgenden PDF-Dokument finden Sie die neuen leichten Prüfungen, jeweils gekennzeichnet mit einem P für Pilotprüfung und eine Übersicht der Leitgedanken.