Hessische Züchterfortbildung
Eine IPZV-Züchterfortbildung besonderer Art unter Leitung der internationalen Materialrichterin Barbara Frische erlebten ca. 15 Teilnehmer auf Gestüt Hasselheck in Obermörlen.
Was war anders, als herkömmliche Fortbildungen?
Bereits 6 Wochen vor der Fortbildung waren etwas über ein Dutzend Pferde auf Berittstation bei Aðalsteinn Reynisson, Bereiter der isländischen FT. Vom taktklaren Schweinepasser über hochtemperamentvolle Pferde bis zu altgedienten Turniercracks war hier ein bunter Korb an schönen Tieren im Alter zwischen 4 und 19 Jahren vertreten.
Einige der Pferde, die in Beritt waren, wurden auf der Züchterfortbildung gezeigt. Dabei berichteten zunächst die Besitzer über Ihre Pferde und erzählten auch den Stand, mit dem die Pferde in die Hände von Aðalsteinn gegeben wurden.
Anschließend erfolgte eine kurze allgemeine Einführung von Barbara Frische über die Anforderungen, die eine FIZO-Prüfung stellt. Ebenso wurde bei drei Pferden exemplarisch das Ge-bäude von Barbara vorgerichtet und umfangreich erläutert.
Die Kursteilnehmer kamen dann selbst zur Sache und durften in Kleingruppen alle übrigen Pferde proberichten mit erstaunlich zutreffenden Ergebnissen.
Barbara erklärte bei allen Pferden den Zusammenhang von Vorzügen und Nachteilen, die im Gebäude der Pferde zu erkennen waren und wie diese sich auf das Reiten auswirken.
Am Nachmittag ging es dann auf die Ovalbahn und die Pferde wurden von Ihren Besitzerinnen vorgeritten.
Die Berittpferde wurden z.T. von der IPZV-Jungpferdebereiterin, B-Trainerin, A-Trainer-Kandidatin und Reynir-Musterschülerin (Level 4) Maike Morbach aus Ostbevern, die zum Ende der Berittstation hospitierte, ausgesprochen leicht, fein und professionell vorgestellt.
Barbara Frische richtete die Pferde unter dem Sattel und Aðalsteinn sowie seine Assistentin der Berittstation, Anke Schreiber, erläuterten, wie die Pferde in den vergangenen Wochen gearbeitet wurden.
Die Kursleiterin zeigte sich begeistert über die Arbeit, die Aðalsteinn mit Anke geleistet hatte. Durch die professionelle Arbeit waren die reiterlichen Probleme durch die Gebäude so weit kompensiert, dass sogar die ebenso stolzen wie verblüfften Besitzer Steffi Renz mit ihren Stuten Sif vom Lachtetal und Röskva von Burg sowie Klaus Schönwetter mit der Kjarval-Tochter Eyglo frà Saudarkroki von der internationalen Materialrichterin in den „dicke möglichen“ Elitebereich erhoben wurden.
Dies alles passierte an einem arbeitsamen ersten Tag und das Highlight sollte noch kommen.
Während Barbara am Sonntagmorgen noch wunderschöne frisch geschlüpfte Fohlen von Gestüt Hasselheck beurteilte, waren Kursorganisator Maik Schönwetter vom Gestüt Wiesgarten aus Florstadt und Aðalsteinn bereits sehr früh am Frankfurter Flughafen, um dort den Vater von Aðalsteinn abzuholen.
Reynir Aðalsteinnson kam direkt von der WM-Qualifikation aus Island über Kopenhagen eingeschwebt und hatte im Gepäck gute Aussichten, auch mit 67 Lenzen als Zweiter der Fünfgangqualifikation mit seinem Hengst Sikill frà Sigmundarstödum (mit 0,4 Hundertsteln Rückstand) noch in die isländische WM-Equipe gewählt zu werden.
Reynir ist mehrfacher Welt- und Europameister, Rittmeister (einer von nur Vieren auf der Welt), Züchter von unzähligen Elitepferden und derzeit Professor an der landwirtschaftlichen Universität in Hvanneyri. Seine Bücher sind weltweit vielgelesen.
Reynir ging auch ohne vorhergehenden Schlaf (er startete um 1,00 Uhr in Keflavik) gleich ans Werk und hatte einen bebilderten Vortrag vorbereitet. Alle Zuhörer hingen an des Riddari Lippen, als dieser über seine Zucht und seinen eigenen Lehrmeister berichtete. Highlight war ein Video einer Gestütsschau auf Syðri-Völlum, dem Gestüt von Reynir’s Tochter Ingunn und Palmi Geir Richardson.
Hier konnten sich alle einen guten abschließenden Eindruck von Reynir’s Zuchtphilosophie machen, die auf einer moderaten Inzucht beruht und insbesondere auf Mökkur frà Varmalaek und Borgfjörd frà Hvanneyri gründet.
Fast alle Kinnladen klappten herunter, als viele Nachkommen von Reynir’s wichtigstem Hengst und Zuchtziel (seiner Aussage nach), Leikur frà Sigmundarstödum, selbst vierjährig im fliegenden Pass per Video über den Bildschirm flogen.
Anschließend berichtete Reynir von der Jungpferdearbeit und schließlich noch von der Ausbildung im Fernstudium an der Universität in Hvanneyri, die seit 3 Jahren angeboten wird und ein Renner auf der Insel ist. Immer wieder wurde sein Vortrag von interessanten und witzigen kleinen Anekdoten aus der Islandpferdezuchtgeschichte aufgelockert.
Nachdem mehrere Teilnehmer die Bodenarbeit vom Meister gerne auch live sehen wollten, blieben gute 20 Minuten im Roundpen, in der Reynir einen fünfjährigen Wallach aus Vafi frà Kyrholti vom Gestüt Wiesgarten arbeitete.
Besonders interessant hier war, dass eben jenes Pferd in 2006 von Barbara Frische als Fohlen gerichtet wurde. Die Note als Hengstfohlen von 7,91 (Ext. 7,7 – Int.: 7,9 und Gang 8,0) war einschließlich des damaligen Richterspruchs von Barbara auch nach 5 Jahren fast exakt gleich.
Nach einem vorzüglichen Mittagessen aus der Produktion von Oma Renz ging es wieder auf die Ovalbahn und der Reitmeister hatte inzwischen auch die Jeans mit der Reithose getauscht.
Jetzt wurde es richtig rund, denn Aðalsteinn stellte seinem Vater die Berittpferde vor und Barbara berichtete Reynir über die Erkenntnisse aus der Gebäudebeurteilung. Die Besitzer ritten ihre Pferde vor und Reynir probierte anschließend jedes Pferd selbst aus. Danach wurden die Pferde mit den Besitzern besprochen und Barbara, Reynir und auch sein Sohn gaben wertvolle Tipps zur weiteren Ausbildung und möglichen FIZO-Vorstellung der schönen Pferde.
Alle Beteiligten waren sich einig, eine solche Veranstaltung incl. vorangehenden Beritts möglichst bald nachholen zu wollen.
Die Teilnehmer reisten glücklich und voller Informationen und Erkenntnissen nach Hause.
Einige machten die vergangenen 7 Wochen perfekt rund, indem sie mit ihren Pferden gleich noch 4 Tage Reitkurs mit Reynir dranhängten.
In einer Abschlußansprache am späten Nachmittag konstatierte eine glückliche Barbara Fri-sche, dass sie selbst wieder einmal viele neue Erkenntnisse gewonnen hat, dankte Reynir herzlich und bedachte dessen Sohn Aðalsteinn erneut mit viel Lob für einen „fantastischen Berittjob“.
Großer Dank wurde natürlich auch an Anke Schreiber und Maike Morbach für die Unterstüt-zung beim Vorreiten und bei der Berittstation gerichtet.
Die Idee, eine Berittstation mit Züchterfortbildung und Reynir-Kurs zu kombinieren war ein Versuch aus der erstmaligen Kooperation der Züchterfamilien Renz und Schönwetter mit berechtigter Hoffnung, etwas Gutes zu bieten.
Referenten und Teilnehmer bekundeten, dass das Ergebnis weit mehr als gut, hochklassig und einmalig war und können eine Wiederholung kaum erwarten.
Astrid Renz und Maik Schönwetter sind sich einig, dass sie für eben diese Wiederholung gerne wieder als Team sorgen wollen.